Im Juni fand wieder das Frühjahrstreffen von GEN Deutschland, dem Netzwerk von Gemeinschaften, statt. Rund 100 Interessierte aus Mitgliedsgemeinschaften und Gründungsinitiativen kamen zusammen, um Neuigkeiten auszutauschen, Kontakte zu pflegen und das Netzwerk weiterzuentwickeln. Von zwanzig Mitgliedsgemeinschaften waren 18 vertreten; ungewöhnlich war dieses Jahr, dass das Treffen aus Kapazitätsgründen nicht für interessierte Einzelpersonen offenstand, für die das Frühjahrstreffen sonst eine erste Gelegenheit zur Kontaktaufnahme ist.
Obwohl GEN sehr umtriebig ist und enorm viel Potential bietet, fällt es mir oft schwer zu beschreiben, was dort konkret geschieht und was der Gewinn eines Engagements im Netzwerk sein könnte. Greifbarer wurde das am ersten Vormittag bei der Vorstellung der Workshops, die in den kommenden Tagen stattfinden sollten: die Themenvielfalt reichte von ökologischem Bauen über Austauschräume zu Generationswechsel, gemeinsamer Ökonomie oder nachlassendem Engagement in Gemeinschaft bis hin zu spielerischem Raufen und Rangeln, um nicht drei Tage nur mit "Kopfarbeit" zu verbringen. Auch verschiedene Arbeitskreise trafen sich während dieser Zeiten - etwa einer zur Wandelreise, einer Fahrradtour vom Bodensee an die Nordsee, bei der unterwegs verschiedenste Projekte gelebten Wandels besucht werden sollen. Auch die Möglichkeit von Freiwilligendiensten in GEN-Gemeinschaften oder ein Programm zur Vernetzung mit der eigenen Region wurden vorgestellt.
In einem weiteren Workshop wurde die Idee vorgestellt, einen Rahmenvertrag für Sachversicherungen zu schaffen, der GEN-Gemeinschaften zur Verfügung stünde. Über Skaleneffekte könnten Versicherungen günstiger werden, außerdem könnte auf Versicherungsanbieter gemeinsam Druck ausgeübt werden, die Gelder entsprechend unseren Werten anzulegen. Denn bisher gibt es kaum Versicherungen, die ihr Geld nach ethischen Gesichtspunkten anlegen, so dass wir mit unseren Prämien im Moment weiter die "alte Welt" mitfinanzieren.
Neben diesen vielen Impulsen gilt aber wie für viele Vernetzungstreffen: das spannendste sind die Kaffeepausen. Da laufen immer wieder Gespräche: wie ist es denn bei euch mit dem Konflikt um X weitergegangen? Ihr hattet euch doch mal mit Thema Z beschäftigt - habt ihr da eine Lösung gefunden? Oder schlicht: Wie geht es dir? Und so weiter...
Gastgeber des Treffens war diesmal die Kommune gASTWERKe in der Nähe von Kassel, deren augenfälligstes Merkmal auf den ersten Blick vielleicht der Reichtum an überdimensionalen Gewächshäusern ist. Dieses Erbe einer forstwirtschaftlichen Versuchsanstalt wird heute vielfältig genutzt - teils zum Gemüseanbau, teils aber auch als Versammlungsräume, Regenwetter-Kinderspielplatz oder als (tropisch warme) Duschräume für Gäste. Auch ein Gewächshaus-Konzert am Abschlussabend durften wir genießen. Die Kommunarden waren uns wunderbare Gastgeber - herzlichen Dank!
Am Freitagabend stellten sich verschiedene Initiativen vor, die bisher nicht Mitglied des GEN-Netzwerks sind, darunter die Anwärter*innen Gemeinschaft Bierenbachtal und Gemeinschaft Am Sternberg. Neue Mitglieder wurden diesmal nicht in den Verein aufgenommen.
Bei der jährlichen Mitgliederversammlung am Samstag wurde die Arbeit von Vorstand, Lenkungskreis und Buchhaltung ausgiebig gewürdigt. Schwieriger gestaltete sich die turnusmäßig anstehende Neuwahl des Vorstands. Viele Menschen lehnten aus unterschiedlichsten Gründen ab, in den Vorstand gewählt zu werden. Das war wohl ein Stück weit Reaktion auf die aktuelle Struktur des Netzwerks, wo übermäßig viel Arbeit an Vorstand und Lenkungskreis hängt, während es bisher wenig Möglichkeiten gibt, sich mit geringerem Zeitbudget einzubringen.
Außerdem wurde deutlich, dass die Identifikation vieler Gemeinschaftsmenschen mit den Projekten, die GEN in Kooperation mit dem Umweltbundesamt durchführt, eher gering ist. Ein neuer Vorstand wurde schließlich gefunden, aber die Frage, was GEN eigentlich für mich ist, was ich erwarte und was ich beitragen kann, haben viele mit nach Hause in ihre Gemeinschaften genommen.
Berührend war zu guter Letzt noch eine Videoschalte in die Ukraine, wo wir mit Iryna Kazakova sprachen, die bei GEN Ukraine und dem Permakulturnetzwerk aktiv ist. Sie berichtete ausführlich davon, wie die Spenden verwendet wurden, die wir über GEN Deutschland gesammelt haben. Leerstehende Häuser werden renoviert, um sie für Flüchtende bewohnbar zu machen. Insgesamt seien Unterkünfte für 2500 Erwachsene und 500 Kinder geschaffen worden. Außerdem wurden zahlreiche Gewächshäuser gebaut, damit Menschen sich selbst mit Lebensmitteln versorgen können. Die Gewächshäuser entpuppten sich aber auch als wichtiger sozialer Treffpunkt, und die Arbeit mit den Pflanzen als heilsame Beschäftigung für Menschen, die andernorts ihre Wurzeln verloren haben. Das Permakulturnetzwerk sei extrem aktiv und helfe einander gegenseitig mit Lebensmitteln, Samen oder gar Bienenstöcken. Auch ein (sehr fragiler) Kontakt zu GEN Russia bestehe weiterhin.
Lennart Schütz