Spiral Dynamics

Wir alle kennen das: Wer sich aus den bestehenden Verhältnissen emanzipiert, lehnt die Werte, die für das Alte stehen, erst einmal ab. Wie früher, als wir ständig gehört haben klemmdichdahinter, reißdichzusammen oder wassollendieanderendenken – um uns später davon abzugrenzen, indem wir uns eben NICHT dahinter klemmten und drauf pfiffen, was die anderen denken.

Eine ähnliche Abkehr von bestimmten Werten ließ sich lange Zeit auch im ZEGG erkennen: Wir steigen aus, wir machen es anders, Monogamie ist Quatsch, rationales Denken auch, Geld ist bäh und Hierarchien werden abgeschafft. Stattdessen ging es um „grüne“ Werte wie Selbstverwirklichung, Empathie, Gleichwertigkeit, Verbundenheit, Harmonie und Wertschätzung.

Grüne Werte

Wahrscheinlich war eine solche Affektumkehr auch erst einmal notwendig, um den Raum für neue Schritte und Experimente zu schaffen. Und ein Blick in die Welt bestätigt ja auch, dass alternative Formen des Zusammenlebens und Wirtschaftens dringend nötig sind. Trotzdem haben diese „grünen“ Werte ihre Begrenzungen und Schattenseiten.

So kann es passieren, dass vor lauter Pluralismus und Hierarchievermeidung niemand mehr die Führung übernimmt. Oder dass Arbeitstreffen durch persönliche Befindlichkeiten dominiert werden. Oder dass nötige Konflikte nicht ausgetragen werden, weil es wichtiger erscheint, die Harmonie zu wahren. Und das geht auf die Dauer nicht gut.

Wir können wir also die alten, vormals abgelehnten Werte neu füllen und zu einer integrierten oder integralen Perspektive gelangen? Damit beschäftigen wir uns auch im ZEGG und nutzen Spiral Dynamics, ein Entwicklungsmodell menschlicher Bewusstseins-, Werte- und Weltanschauungsebenen, auf dessen Farben und Stufen wir uns als Gemeinschaft und Bildungsbetrieb immer wieder beziehen.

Das Modell wurde von Don Beck und Chris Cowan auf der Grundlage der Theorien des Entwicklungspsychologen Clare W. Graves entwickelt und fand auch Einzug in die Integrale Theorie von Ken Wilber. Danach durchlaufen Menschen sowohl in ihrem individuellen Leben als auch im Lauf der Menschheitsgeschichte verschiedene Bewusstseinsstufen (wobei jede neu erreichte Stufe alle vorherigen Stufen mit einbezieht). Die Stufen werden als sogenannte Memes bezeichnet und bilden das kulturelle Pendant zum biologischen Gen. Jedem Mem ist eine bestimmte Farbe zugeordnet.

Orange Werte

Das Leben in einer Gemeinschaft mit mehr als 100 Menschen erfordert eine komplexe Organisation. Und das ZEGG unterhält einen prosperierenden Bildungsbetrieb. In beiden Fällen geht es darum, „orange“ Werte wie Professionalisierung, Effektivität und Wirtschaftlichkeit zu etablieren: Unsere Abläufe sind zunehmend optimiert und digitalisiert, die Infrastruktur ist weitgehend saniert, die Betriebsprüfungen waren erfolgreich etc.

Ökonomisches und rationales Denken bedeutet nicht, dass „grüne“ Werte wie Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Vertrauen nicht mehr wichtig sind. Es geht ja um eine Integration von „orange“, also nicht um höher-schneller-weiter, sondern beispielsweise darum, als Gruppe oder Team entscheidungsfähig zu sein und nicht „grün-egalitär“ in endlosen Verfahrensdiskussionen stecken zu bleiben.

Blaue Werte

In unserem Betrieb gibt es immer wieder den Wunsch nach „blauen“ Werte. Man könnte auch sagen: mehr Struktur, Regeln, Ordnung und Disziplin. Nicht, dass es das nicht gäbe: Wir haben viele gut funktionierende Strukturen. Und doch geht es um das Einnehmen einer Haltung, die die eigenen Interessen hintenan stellt, um dem Gelingen des Gesamten und anderer höherer Ziele zu dienen.

Warum entschwinden wir an dieser Stelle immer wieder, obwohl wir uns das mehr wünschen? Vielleicht, weil viele irgendwann in ihrem Leben schlechte Erfahrungen mit „blauen“ Werten gemacht haben: die strengen Eltern, der strafende Lehrer, die moralistische Kirche, die spießige Obrigkeit, das Patriarchat, die Stasi, die Nazidiktatur.

Es geht also darum, die dadurch erlittenen individuellen Verletzungen und kollektiven Traumata zu heilen. Dann können wir uns mehr gesundes „blau“ geben und sehen, dass etwa Hierarchien durchaus Sinn machen, wenn sie in „grüne“ Werte wie Achtsamkeit und Wertschätzung integriert sind.

Gelbe Werte

Mit dem Prozess, grüne, orange und blaue Werte immer weiter auszubalancieren wird auch der Weg zur nächsten, der „gelben“ Wertestufe sichtbar. Diese ist systemisch und multiperspektivisch, und sie steht für die Integration und flexible Handhabung aller vorangegangenen Stufen. Weiter geht es um Selbstverantwortung, Ko-Kreation, lebendiges Wachstum und fortschreitende Komplexität.

Wenn wir in die Welt schauen, erscheint der Sprung auf ein „gelbes“ Bewusstseinslevel dringend nötig, um den komplexen Herausforderungen unserer Zeit begegnen zu können. Probleme lassen sich schließlich nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.

Spiral Dynamics – Stufenmodell zur menschlichen Werteentwicklung