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Ena, das Youth Exchange findet nun schon seit acht Jahren statt. Was bedeutet dieses Projekt für dich persönlich?

Für mich ist es jedes Mal wie ein Ernten. Und gleichzeitig ist es ein tiefes Wiedererkennen: Ich bin spanisch-deutsch, in Brüssel an der Europäischen Schule groß geworden, umgeben von Menschen aus unterschiedlichsten Regionen und Kulturen. Auf dem Schulhof wurden sieben Sprachen gesprochen, im Unterricht saß ich oft neben jemandem, mit dem ich nicht einmal die Muttersprache teilte – und doch war Verbindung so selbstverständlich.

Für mich war es immer das Natürlichste der Welt, mich als Europäerin zu erleben – oder vielleicht sogar als Erdenmensch, als Mensch unter Menschen. Verschiedene Sprachen empfinde ich nicht als Barrieren, sondern als Türen in neue Welten, die mich neugierig und lebendig machen. Hinter jeder Kultur entdecke ich den gleichen Herzschlag, die gleichen Bedürfnisse, die gleichen Träume.

Deshalb ist es ein so großes Geschenk für mich, heute Räume zu gestalten, in denen junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren genau diese Erfahrung machen können: dass Vielfalt uns stärkt, verbindet und uns gemeinsam handlungsfähig macht.

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Wie würdest du den Ansatz des Youth Exchange beschreiben?

Inhaltlich orientieren wir uns stark am Gemeinschaftskurs – nur in komprimierter Form. Wir arbeiten mit Modellen wie dem Kernschalenmodell, nervensystembasierter Konflikttransformation, Durgas Tiger Dance, Forum, sowie Aspekten von Rang und Macht. Diese Methoden unterstützen junge Menschen darin, Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und emotionale Resilienz zu entwickeln.

Wir verbinden diese persönlichen Prozesse mit aktuellen Themen wie Klimagerechtigkeit, sozialer Nachhaltigkeit, demokratischer Teilhabe und europäischer Zusammenarbeit.
Damit fördern wir ganz selbstverständlich mehrere Youthpass-Kompetenzen:

Selbstreflexion, Verantwortungsbewusstsein, soziale und emotionale Kompetenz, kulturelles Bewusstsein, Leadership, Teamarbeit, Lernfähigkeit sowie gesellschaftliche Partizipation.

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Was macht die Arbeit mit den jungen Teilnehmenden so besonders für dich?

Berührend ist für mich die Qualität der Kulturarbeit, die wir gemeinsam gestalten. Es geht nicht nur um Methoden – es ist ein gemeinsames Forschen nach einem anderen Miteinander.
In diesem sicheren und zugleich lebendigen Lernfeld begegnen junge Menschen sich selbst und einander auf besondere Weise. Viele bringen Fragen zur Klimakrise, zur Zukunft Europas oder ihrer eigenen Rolle in einer sich verändernden Welt mit. Zu sehen, wie sie daraus Mut, Kreativität und Orientierung entwickeln, erfüllt mich immer wieder.

Die Energie dieser jungen Erwachsenen ist ansteckend: neugierig, wach, verantwortungsbereit. Sie wollen verstehen, wie nachhaltige Lebensweise konkret aussehen kann – ökologisch, sozial und kulturell.

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Wie war die Zusammenarbeit im Team in diesem Jahr?

Auch im Teamprozess war viel Lebendigkeit. Wir sind eine Woche vorher zusammengekommen, um ein tragfähiges Feld aufzubauen und uns inhaltlich gut vorzubereiten. Dabei kamen persönliche und strukturelle Themen auf den Tisch: unterschiedliche Bedürfnisse, Fragen nach Leitung, Rollen und Zusammenarbeit.

Diese Reflexionen sind für uns Teil der Kultur – und zugleich eng verbunden mit dem, was wir den jungen Menschen vermitteln möchten: Bewusstsein für Gruppenprozesse, konstruktiver Umgang mit Konflikten und der Mut, Macht und Verantwortung transparent zu teilen.

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Du warst als Frau in der Leitung mit zwei Männern an deiner Seite. Welche Themen sind dabei aufgetaucht?

Unsere Konstellation war spannend. Ich spürte viel Wertschätzung durch meine Co-Leiter – beide habe ich in ihrer Entwicklung begleitet. Gleichzeitig war spürbar, wie herausfordernd es sein kann, wirklich auf Augenhöhe zu sein und dennoch Rangunterschiede bewusst anzuerkennen.
Diese Fragen spiegeln auch gesellschaftliche Themen: Gleichberechtigung, Führungskultur, Wertschätzung verschiedener Perspektiven. Dass wir diese Dynamiken offen ansprechen konnten, war ein großer Gewinn.

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Wie gehst du mit solchen komplexen Dynamiken um?

Diese Prozesse liebe ich. Sie berühren tiefe Fragen von Führung, Vertrauen und Authentizität. Und sie zeigen, wie sehr persönliche Entwicklung und gesellschaftlicher Wandel miteinander verwoben sind – genau das wollen wir jungen Menschen erfahrbar machen: handlungsfähig zu bleiben, auch in einer komplexen Welt.

Was möchtest du zum Abschluss noch sagen?

Ich bin jedes Jahr aufs Neue dankbar, diese Arbeit tun zu dürfen. Danke auch an meine Gemeinschaft, dass das Youth Exchange hier im ZEGG stattfinden kann.

Danke an all jene, die an den Vormittagen die praktischen Tätigkeiten begleiten – im Garten, in der Küche oder bei Instandhaltungsarbeiten.
Dabei geht es nicht um Arbeit im klassischen Sinn, sondern um gemeinsames Tun: die Menschen kennenzulernen, die diesen Ort tragen, und unmittelbar zu erleben, was es bedeutet, ein Ökodorf zu pflegen, das im Einklang mit der Natur leben möchte.

Und danke an alle sichtbaren und unsichtbaren Helfer*innen, die Räume gestalten, in denen persönliche Entwicklung, europäische Begegnung und nachhaltiges Denken zusammenfinden können.