SC Frauen

Dürfen Frauen*gruppen im Jahr 2025 überhaupt noch sein? Zwischen Diversität, Genderfluidität und dem berechtigten Wunsch nach Inklusion stellt sich diese Frage auch im ZEGG ganz konkret. In ihrem persönlichen Rückblick auf das Sommercamp 2025 berichtet Jasmin von einer intensiven, elf Tage langen Frauengruppe – mitten in einem Umfeld, das sich seit Jahren mit Kritik an Heteronormativität und Geschlechterrollen auseinandersetzt. Warum also ein Frauenraum? Was hat die Frauen angezogen, was wurde bewegt – und welche Impulse ergeben sich daraus fürs ganze ZEGG?

In einer Zeit, in der das Thema Gender immer präsenter und gleichzeitig scheinbar unwichtiger wird, möchte ich über die Frauengruppe im ZEGG-Sommercamp 2025 schreiben – und die Frage stellen, ob geschlechtsspezifische Gruppen überholt oder gerade jetzt besonders relevant sind.
Zula N. Hoffmann und ich haben in diesem Jahr gemeinsam eine Frauengruppe begleitet. 24 wundervolle Frauen kamen zusammen, um sich über elf Tage in einem geschützten Raum zu begegnen. Parallel dazu fanden eine Männergruppe sowie eine Gruppe statt, in der ausdrücklich jedes Geschlecht willkommen war.
 
**Warum also ein reiner Frauenraum?**
 
Im Eröffnungskreis wurde schnell deutlich: Viele hatten sich ganz bewusst für die Frauengruppe entschieden – nicht aus Abgrenzung, sondern weil es sich sicherer anfühlte. Weniger Ablenkung, mehr Raum für die Verbindung mit sich selbst.
Was für mich besonders spürbar war: die echte Augenhöhe zwischen uns allen. Jede Frau brachte ihre eigene Geschichte, Kraft und Tiefe mit – und es ging nicht um Input, Belehrung oder Debatten. Stattdessen entstand ein Raum, der trug, einlud, einfach zu *sein*. Ein Raum, in dem Angestautes bewegt werden konnte, in dem wir uns selbst erleben und fühlen durften.

Eine Stimme, die in mir hängengeblieben ist und deren Aussage ich so auch wahrnehme, sagte: In gemischten Räumen übernehmen Frauen oft unbemerkt Care-Arbeit – sie sorgen, halten, organisieren. In dieser Frauengruppe war das anders. Viele achteten aufeinander, unterstützten einander – so konnte das Halten und Raumgeben auf viele Schultern verteilt werden. Dadurch entstand auch für jede Einzelne die Möglichkeit, sich wirklich hinzugeben.
In der Gruppe wurde in verschiedenen Momenten für mich auch eine tiefe Erschöpfung sichtbar: das ständige Leisten, Leiten, Halten – in Familie, Freundschaften, Heilungswegen, Selbstverwirklichung.
 
Eine Frage die kam war:
„Was sind wir Frauen eigentlich noch – außer fleißig?“
 
Und das Aussprechen dieser Erschöpfung ist für mich kein Schwächegeständnis, sondern ein Ausatmen. Ein tiefes Erlauben, sich dieser Erschöpfung hinzugeben. Im nächsten Moment begegneten wir uns dann schon wieder wild, tanzend, lachend in der Natur. Das Einatmen kam von selbst.
 
Ich durfte in diesen Tagen so viel lernen.
Der Kreis war ein lebendiges, kraftvolles Gefüge – wandelbar, nährend, tragend.
Jede Frau brachte an jedem Tag eine andere Energie mit, hielt den Raum, unterstützte – auch mich.
Ein Kreis, der trug – und sich gleichzeitig selbst trug.
 
**Generationen verbinden**
 
Besonders hervorheben möchte ich und für die nächsten Festivals immer wieder einladen, wie mühelos Frauen aller Altersstufen integriert waren. Gerade in geschlechtsspezifischen Gruppen scheint es mir einfacher, generationenübergreifende Begegnung zu ermöglichen – ohne Belehrung und mit viel echtem Interesse füreinander. Es entstand ein wertvolles Netz für das ganze Festival aus Sicherheit und Inspiration – für alle Generationen.
 
**Zwischen Eros, Körperwahrnehmung und innerer Forschung**
 
Unsere Gruppe ermöglichte Übungen, in denen Raum für den eigenen Eros entstehen konnte – nicht im äußeren, sexuellen Sinne, sondern als Lebensenergie. Als feine, klare Verbindung zum eigenen Körper, zur reinen Wahrnehmung, ohne Bewertung oder Geschichte.
 
Es ging um Erlaubnis, ums Ausprobieren – mit Menschen, die nichts "wollen", sondern einfach präsent sind.
 
Eine Teilnehmerin teilte eine Beobachtung, die auch mich sehr berührte:
In gemischten Gruppen, so ihre Erfahrung, werden Menschen oft nach bestimmten Mustern übersehen – sei es aus Erwartungen, Vorannahmen oder Attraktivitätszuschreibungen heraus.
In unserer Frauengruppe war das anders. Die Auswahl von Übungspartnerinnen geschah nicht aus Ausschluss, sondern aus feiner Resonanz. Das fühlte sich weich, ehrlich und verbindend an.
 

SC Frauen2

Gemeinsames Ritual – echte Begegnung

Ein lang ersehntes und auch etwas gefürchtetes Ritual brachte schließlich die Männer- und Frauengruppe zusammen. Jeweils zwei Menschen aus jeder Gruppe kreierten am Ritualplatz eine gemeinsame Mitte. In dieser durften sich jene zeigen, die sich von bestimmten Fragen gerufen fühlten:
 
* Was möchtest du, dass die andere Gruppe über dich als Frau/Mann weiß?
* Was verhindert authentischen Kontakt – und wie gelingt er?
 
Wir alle tragen Verletzungen, Prägungen und Unsicherheiten in uns. Und gleichzeitig gibt es eine tiefe Sehnsucht nach echter Begegnung – nach einem Raum, in dem wir sowohl als Menschen gesehen werden als auch in unseren weiblichen oder männlichen Essenzen.
Besonders berührend war der aufrichtige Wunsch, einander wirklich zu hören, zu verstehen und wahrhaft zu begegnen.
Diese Gleichzeitigkeit von Verletztheit und Verbundenheit war tief bewegend – und heilsam.

 

#Geschlechtsspezifische Gruppen – noch zeitgemäß?
 
Wir leben in einer Zeit, in der Themen wie Genderidentität, Diversität und nicht-binäre Lebensrealitäten sichtbarer denn je sind. Gleichzeitig sehnen sich viele Menschen nach Räumen jenseits von Rollen, Kategorien und Zuschreibungen – einfach als Menschen.
 
Genau in dieser Spannung liegt der Wert geschlechtsspezifischer Gruppen. Nicht trotz, sondern wegen des zunehmenden Wunsches nach Verbindung über Geschlechtergrenzen hinweg, bieten sie:
 
* Räume, in denen ehrliches, verletzliches Forschen möglich ist: Was heißt es, mich als „Frau“ oder „Mann“ zu erleben?
* Gelegenheiten, sozialisierte Muster sichtbar zu machen – z. B. Anpassungsdruck bei Frauen oder Konkurrenzverhalten unter Männern.
* Möglichkeiten, alte Wunden und genderspezifische Erfahrungen zu heilen – ohne Schuldzuweisungen oder Selbstverurteilung.
* Die Grundlage für bewussteren, respektvolleren und authentischeren Kontakt im gemischten Raum.
 
In meinem Erleben sind diese Räume kein Ausschluss, sondern ein temporärer Fokus auf bestimmte Aspekte des Menschseins. Sie erlauben ein Aufräumen, ein Forschen, ein sich Verbinden.
 
Ein Raum, in dem man sich gegenseitig verletzliche Fragen stellen, voneinander lernen, blinde Flecken aufzeigen und sich gegenseitig zur Verantwortung einladen kann.
Gerade in einem Feld wie dem ZEGG, in dem *freie Liebe* in vielfältiger Form gelebt wird, stärkt dies Solidarität, Klarheit und Kooperationsfähigkeit.
 
In meiner Wahrnehmung sind daher geschlechtsspezifische Gruppen absolut dienlich und fördern nicht Spaltung – sondern Bewusstsein, Verbindung und Integration.
Wir möchten weiterforschen – mit euch!
Dieser Text ist ein Anfang – keine fertige Wahrheit.
Wir möchten dich einladen, mitzudenken, mitzuspüren, mitzuteilen:
 
* Welche Erfahrungen hast du mit genderspezifischen Räumen gemacht?
* Wo spürst du Reibung, Wachstumschancen fürs ZEGG, Fragen oder blinde Flecken?
* Welche Perspektiven fehlen noch?
 

Schreib uns gerne eine E-Mail an – wir freuen uns auf Austausch, Resonanz, Kritik und neue Impulse.

Mit Dankbarkeit und Neugier

Jasmin Seipold

 
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