Edith Wolter Simon lebt seit 1998 im ZEGG. Nach vielen Jahren Leitung des Geländeteams hat sie nun umgesattelt. Seit 2010 ist sie Hobbyimkerin und legte sich mehrere Bienenstöcke zu. Die Heilkraft der Bienen faszinierte sie so, dass sie eine Heilpraktikerausbildung begann, um mit der Apitherapie (Therapie mit Bienenprodukten) zu arbeiten. Heute spricht Barbara Stützel mit ihr über die vielen neuen Mitbewohnerinnen des ZEGG und ihre jahrtausende alte Heilkunst.
Barbara: Edith, um wie viele Wesen hast du die Bewohnerschaft des ZEGG erhöht?
Edith: Im Moment gibt es in einem Bienenvolk ca 50 000 Bienen. Bei 13 Völkern ergibt das 750 000 neue Bewohner. Angefangen habe ich mit vier Völkern. Im ersten Winter sind sie alle gestorben. Da war ich ziemlich erschüttert. War der Standort nicht der richtige? Welche Fehler hatte ich gemacht? War es die Varroamilbe? Es ist normal, dass Völker sterben. Man spricht dabei von ca. 20% ; in Brandenburg waren es dieses Jahr allerdings 40 %, Gott sei Dank sind bei mir nur 2 Völker gestorben.
Barbara: Wir bekommen ja vor allem das Ergebnis mit, deinen leckeren Honig, den wir essen dürfen.
Edith: Ja der Honig ist wirklich lecker, was auch an der guten und gesunden Umgebung des ZEGG liegt. Von einer gesunden Ernährung hängt auch die Gesundheit der Bienen ab – wenn sie nur gespritzte Sachen zu sich nehmen müssen, können Bienen auch nicht gesund sein. Es ist wie bei allen anderen Lebewesen auch. Hier essen die Bienen v.a. Obst, Linde und Robinie, d.h. wir haben viel Obst-, Linden- und Robinienhonig. Und wir haben einen wunderbaren Garten, in dem auch für die Bienen viel zu holen ist. Auch die Vielfalt der Nahrung unterstützt die Gesundheit der Bienen. Wenn wir nur Bohnen essen würden, selbst wenn sie biodynamisch und ganz ohne Spritzmittel wären, hätten wir bald irgendwelche Mangelerscheinungen. So ist das auch bei den Bienen. Wenn sie monatelang nur Raps bekommen und nichts anderes dazu, brauchen wir uns eigentlich nicht wundern, wenn sie schwächeln. Das Einzugsgebiet, in welchem die Biene Futter- also Nektar und Pollen- sammelt, hat einen Radius von ca. 5 km. Dieses Jahr haben wir wenige Rapsfelder in direkter Umgebung. Das nächste ist 2 km entfernt und solange es hier ausreichend Nahrung gibt, gehen sie eher seltener zum Rapsfeld. Sie funktionieren so ähnlich wie wir auch: Warum nach Berlin fahren zum Einkaufen, wenn‘s in Bad Belzig auch alles gibt, was wir brauchen.
Barbara: Wie bist du dazu gekommen, mit Bienen zu arbeiten?
Edith: Mein Schwiegervater hatte Bienen und so bin ich mit ihnen in Kontakt gekommen. Sie haben mich fasziniert: ihr Summen, so viele auf einmal, und auch dass sie nicht ganz ungefährlich sind. Es sind keine Tiere aus dem Streichelzoo, auch kuscheln ist nicht ganz so einfach. Und wer weiß, wahrscheinlich war es auch die Biene Maja aus meiner Kindheit und auf jeden Fall war es ein Buch, das mitentscheidend war: „Der Weg des Bienenschamanen“ von Simon Buxton. Diese Kombination von Bienenhaltung und Spiritualität und Heilung hat mich beflügelt.
Barbara: Kannst du da ein bisschen mehr darüber erzählen?
Edith: In vielen Kulturen haben die Biene und der Honig eine große Symbolkraft. z.B.: Aus den Tränen des altägyptischen Sonnengottes Ra entstanden Bienen. In Griechenland galten sie als „Vögel der Musen“ und die Bibel spricht vom Land, in dem Milch und Honig fließt. Schon Hippokrates kannte 400 v. Chr. die Heilkraft des Honigs. Er verordnete Honig bei Fieber, Verletzungen, Geschwüren und eiternden Wunden. Bienenprodukte wurden in vielen Ländern traditionell für die Gesundheit eingesetzt. In den östlicheren Staaten wie Russland, Rumänien, aber auch in Japan, China, nutzten sie die Heilkraft der Bienen besonders stark. z.B. Propolis: Es ist eine Substanz aus Harzen und Bienenspeichel . Mit der Erfindung des Penicillins haben wir die alten Heilkünste vergessen und so erging es auch dem Propolis. Nachdem nun immer mehr Antibiotika ihre Wirkung auf Bakterien verlieren und es auch kaum Mittel gibt, die gegen Viren wirken sollen, schaut die heutige Wissenschaft auf die alten Produkte und fand auch das Propolis, das nun mehr und mehr mit seiner antibakteriellen und auch antiviralen Wirkung ins Licht der Öffentlichkeit rutscht. Es ist halt schwer für die Wissenschaftler, weil da so viele Substanzen drin sind und man gerne immer nur die Eine hätte, die die Heilung bringt. Die Vielfalt ist halt nicht für alle ein Segen. Neben dem Honig und dem Propolis schenkt uns die Biene auch noch Wachs, Pollen, Bienengift, Weiselfuttersaft (geleé royal), Drohnensaft und die Bienenluft, was wir alles für unsere Heilkraft und unser Gesundsein nutzen können.
Barbara: Und dann gibt es ja auch noch die unterschiedlichsten Bienen…
Edith: Ja, Imker nutzen v.a. die Honigbiene. Sie ist nach der Eiszeit aus dem vorderen Orient eingewandert. Wir halten sie als Nutztier. In der Imkerei ist auch nicht alles himmlisch und im Einklang mit der Natur. Der Imker ist heute auch nicht mehr das Sinnbild für die Erhaltung der Natur. Bei den Massentrachten, die wir in der Landwirtschaft haben braucht es auch Massentierhaltung von Bienen, die diese befruchten. Und bei dem Honigbedarf, den wir in Deutschland haben, reicht die eigene Honigproduktion nicht aus, um den Bedarf zu decken. Daneben gibt es aber auch Wildbienen, in Deutschland ca. 560 verschiedene Arten, weltweit ca. 20 000. Im Gegensatz zur Honigbiene leben sie meist solitär, brauchen bestimmte Niststrukturen und sind bezüglich ihrer Nahrung oft von speziellen Pflanzen abhängig. Sie brauchen keine Monokultur, sondern vielfältige Landschaften z.B. mehr Blühstreifen, mehr Altholz an den Ackerrändern. Je mehr Monokultur, desto mehr Insektizide und Pestizide und desto mehr ist die Gesundheit und die Existenz der Wildbienen, aber auch vieler anderer Lebewesen, bedroht. Und wie schon Albert Einstein gesagt haben soll: “Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.”
Barbara: Und wieso hast du dich jetzt gerade für Bienen entschieden?
Edith: Weil ich was mit ihnen zu tun habe, weil sie mir begegnet sind, weil sie die Heilerin in mir gerufen haben und weil sie mir helfen, im Alltag ganz runter zu kommen und mich zwingen, absolut präsent zu sein. Wenn ich das nicht tue bei meiner Arbeit in den Bienen, dann stechen sie halt....im Moment denke ich gerade darüber nach, ob ich Hühner halten will. Ob ich nun eine Hühnerseele hab oder welcher Anteil des Huhns in mir gerade gelebt werden will...mal schauen, wo mich das noch hinführt. Und die Imkerei mit den Bienen ist ja nur mein Hobby, meine Hauptbeschäftigung ist das Heilen mit Bienen und all ihren Geschenken für uns in Verbindung mit der alten chinesischen Heilkunst, der Akupunktur. Ich war lange Jahre im ZEGG im Gelände-Team. Und dann bin ich in die Wüste auf eine Visionssuche gegangen, um zu erfahren, was meine nächste Berufung ist. Auch mit der Frage, was ist die Aufgabe für mein "Ältersein" oder was kann ich tun bis ich diese Erde verlasse. Und ich hatte das Glück, eine Antwort zu bekommen. Ich habe eine Ausbildung zur Heilpraktikerin in Berlin und eine zur Apitherapeutin z.B. auch in Rumänien gemacht. Dazu musste ich mich erstmal aus der Gemeinschaft zurückziehen, um mich ganz aufs Lernen und die Prüfungen zu konzentrieren. Jetzt arbeite ich als Heilpraktikerin in und um das ZEGG herum, teilweise bin ich auch in Berlin tätig.
Barbara: Und – kommen schon Patienten?
Edith: Immer mehr. Ich halte auch Vorträge über die Biene und ihre Heilkraft für den Menschen. Es braucht immer eine Weile bis die Mund zu Mund Propaganda seine Wirkung zeigt. Es braucht Geduld und Ausdauer.
Barbara: Und wie ist dein Kontakt mit der Gemeinschaft jetzt?
Edith: Ich habe mir gesagt, wenn ich fertig bin mit der Ausbildung, gehe ich wieder zurück in die Gemeinschaft. Und das habe ich getan. Und ich muss schauen, dass es nicht eine Dauerbeschäftigung wird. Es gibt in einer Gemeinschaft immer so vieles, worüber man nachdenken, womit man sich beschäftigen, wofür man sich einsetzen kann, dass es jeden Tag damit ausfüllen könnte. Da meine Kraft sich verändert und mein Sehnen eher nach Ruhe, Konzentration, Bündelung ausgerichtet ist, bin ich dort in Gemeinschaft, wo es tatsächlich meine Unterstützung braucht, ich eine Aufgabe habe, mein Interesse liegt oder ich den Wunsch hege, Gemeinschaft zu spüren. Wahrscheinlich liegt das auch mit an meinem "fortgeschrittenen" Alter, dass ich nicht mehr überall dabei bin und auch nicht dabei sein muss, in dem Sinne, dass es immer weniger zu verpassen gibt in meinem Leben. Mit nun 57 Jahren und fast 20 Jahren Gemeinschaft und einem neuen Beruf schaue ich, wie das Leben in Gemeinschaft sich neu gestaltet. Eine spannende Frage für mich ist z.B. auch: Wie eröffnet man Menschen, die neu sind, die Welt dessen, was war? Wie machen wir den Schatz der Älteren, die Erfahrung und das Wissen für die Jüngeren attraktiv und auch ehrwürdig. Ein merkwürdiger Begriff, doch in meinen Augen braucht es das Ehren der Geschichte, der Vergangenheit und der Menschen, die diesen Platz aufgebaut haben, ihre Kraft und ihre Liebe hier hineingeschenkt haben, damit auf diesem Nährboden Evolution geschehen kann. Ich bin gespannt auf unsere Kraftgeschichten, auf unser Leuchten, auf unsere Fähigkeit wohlmeinend gelassen zu sein, z.B. wenn die Jungen " sich an den gleichen Herdplatten verbrennen" und dann da zu sein mit Trost und Ermutigung und und und...
Barbara: Vielen Dank für dieses spannende Gespräch.