Dolores Ilan Michael

Die tiefe Sehnsucht der Menschen ist noch nicht beantwortet: Wie gestalten wir ein Leben in Liebe? Das Suchen danach führt uns immer wieder zu neuen Erkenntnissen. Beim dritten Pfingstfestival zum Thema „Herz – Sex – Spirit“ teilten wieder radikale Liebesforscher:innen ihre Suche mit 280 Teilnehmenden und der ZEGG Gemeinschaft. Neben Kristina Marlen, Ilan Stephani, Christopher Gottwald und Konstantin Stavridis tat dies Dolores Richter in ihrem Eröffnungsvortrag „Die Liebe in ihre Kraft stellen“: In diesem ging es um Herz, Sex und Spirit als Quellen unserer Menschlichkeit und darum, die Verbindung zwischen allen dreien wieder ins Fließen zu bringen. Nicht nur individuell, sondern auch kulturell.

Denn auch in unserer Kultur erscheinen sie oft getrennt, dabei gehören sie für ein Leben in Liebe zusammen. Doch wofür stehen „Herz“, „Sex“ und „Spirit“?

Das Herz ist nach Dolores das Organ für Öffnung, Beziehung, Liebe, Trauer, Verlust, Freundschaft, den Sinn, für Stimmigkeit, für Mitgefühl, es gibt eine „Herzintelligenz“, denn es kann jenseits der Ratio fühlen, was gut und wahr ist.

Unsere Sexualität ist das Tor zur Kreativität, zur Intensität. Sie bietet uns Spielfreude, Lebensenergie, Lust, Fortpflanzung und Einheitserfahrung. Eros transformiert laut Dolores „eine Beziehung von einer Strategie für Sicherheit zu einem kosmischen Ereignis“.

Der Spirit eröffnet uns das Wissen und die Erfahrung Teil eines Ganzen zu sein. Er ist das größere Bewusstsein. Er zeigt uns: Ich bin nicht alleine, ich kann um Hilfe bitten, mich inspirieren lassen. Spirit lässt uns nicht nur fühlen, dass wir mit anderen, mit Pflanzen, Tieren und allem verbunden sind, sondern lässt uns auch unsere göttliche Natur finden. Dass es eine höhere Kraft gibt, die für mich ist. Die Aufgabe unseres physischen Lebens besteht laut Dolores darin, sowohl unsere menschliche wie auch unsere göttliche Natur zu tanzen.

Dolores

Alle drei Bereiche werden oft nicht nur getrennt wahrgenommen, sondern sind in uns wie auch kulturell verwundet. Wenn die Anbindung fehlt wird aus Herz dann Kitsch, aus Sex Porno und aus Spirit Esoterik. Diese Wunden können auch die Tür öffnen für Machtmissbrauch: Denn wenn ich den Zugang zu diesen Energien nicht ausreichend in mir selbst finde, mache ich mich abhängig von äußeren Gegebenheiten.

Deshalb ist die wichtige Frage: Erlaube ich allen drei Bereichen wichtige Quellen meiner Liebesfähigkeit zu sein? Immer wieder suchen wir Resonanz im Außen und projizieren, dass unsere Lebensenergien von dort kommen. Wir wollen Liebe nehmen oder besserenfalls geben.

Aber vielleicht geht es eher darum, sich zu öffnen? Weil die Liebe so wie so schon da ist. Sie ist nicht nur eine persönliche Erfahrung: ich verliebe mich in dich als Mensch und will daher von dir das und das - sondern: ich öffne mich für die Liebe und dabei begegne ich dir. Dolores sagte auch: „Freiheit beginnt, wo ich liebe“.

Wir können Herz, Sex und Spirit als unsere Liebes- und Lebensquellen zurückerobern. Und lernen Raum zu halten für Prozesse und Heilung in uns, in Anderen und dem Miteinander. Wir laden nicht mehr unseren emotionalen Müll beim anderen ab, sondern schaffen einen Raum von Selbstkontakt, der auch den anderen umfasst.

  • „Wir lernen Beziehungen zu kreieren, die nicht zu eng sind.
  • Wir lernen Beziehungen zu kreieren, die von Respekt und Wahrheit getragen sind.
  • Dafür müssen wir lernen erwachsen zu lieben und gut in der Welt zu stehen.“

 

Christopher Gottwald ergänzte den spirituellen Aspekt durch Informationen über unser autonomes Nervensystem. Denn dieses will uns ständig vor Gefahren beschützen und gibt uns Signale, was für uns gut ist und was nicht. Innerhalb unseres Windows of tolerance fühlen wir uns entspannt bis angeregt, aber darüber oder darunter entstehen Modi wie Kampf, Flucht, Erstarren oder Fawning. Mehr dazu im neuen ZEGG Podcast über "Polyamorie und Nervensystem". 

Wenn wir diese Signale und Modi bewusster wahrnehmen und darüber kommunizieren lernen, sind wir den Zuständen nicht mehr so ausgeliefert und können eine tiefere Verbindung zu uns selbst und anderen schaffen. Möglicherweise setzt es uns an Stellen Grenzen – aber dies bedeutet nicht, dass ein Kontakt abbrechen muss, sondern dass eine authentischere Verbindung entsteht, wenn Grenzen offen und ehrlich wahrgenommen und kommuniziert werden.

PfingstenWeltkugel

Dies konnten wir mit ihm auch praktisch ausprobieren bei einem Abend „Liebe tanzen“. In diesem nonverbalen Bewegungs- und Begegnungsformat kannst du in einem sicheren, ehrlichen und wertschätzenden Raum ausprobieren, was passiert, wenn du deinen Impulsen folgst.

Ein Vormittag mit Ilan Stephani führte uns dann mit „Global Sex Magic“ radikaler in unsere Größe. Dieser Erfahrungs-Trance-Körper-Raum lud ein, als Mensch deinen Platz im Universum einzunehmen und unsere Energie für die Heilung der menschlichen Wunden und des Planeten einzusetzen. Zwar geht unsere Spezie gerade nicht sorgsam mit dem Planeten um – aber als Einzelpersonen können wir unsere ganze Kraft trotzdem für diese Heilung einsetzen. Und uns darin zusammen tun. Immer wieder spürten wir, welche Kraft wir gemeinsam erzeugen können und tanzten individuelle und kollektive Heilungsbilder für die Wunden in Herz, Sex oder Spirit. Die große Erlaubnis stand im Raum, uns ganz zu ermächtigen und zu unterstützen.

Den Raum, den Ilan erzeugt hatte, führten Konstantin Stavridis und Kristina Marlen geistig fort. Sie berichteten über ihre Forschung im Bereich Herz und Spirit. Auch hier stand die eigene Ermächtigung in Einstimmung mit dem Ganzen im Vordergrund. Es gilt, nicht mehr Opfer zu sein und zu reagieren, sondern eigene neue Wege auszuprobieren. Welche Bewusstseinszustände werden gebraucht, um mit der Multikrise umzugehen? Wie können wir immer wieder den Raum erweitern? Und wie können wir unsere gebrochenen Herzen heilen und wieder öffnen? Auch Christopher gab noch einmal einen Input zu einer Kultur der Zärtlichkeit, so dass es ein Herzheilungstag für viele wurde. Am Nachmittag konnten dann Workshops der Referent:innen und von ZEGG Bewohner:innen besucht werden.

Pfingsten Eröffnung

Neben den inspirierenden Vormittagen konnten die Themen nachmittags in kleineren Heimatgruppen prozessiert und integriert werden. Bewegende und künstlerische Abendveranstaltungen wie auch ein fulminantes Abschlussfest rundeten das Festival ab, das wieder viel von den kleinen und intensiven Begegnungen zwischen Menschen lebte.

Eigentlich ist die Trilogie des Teams aus Dolores Richter, Eva Weigand und Michael Anderau nun beendet. Doch gegen Ende des Festivals gingen oft Hände mit vier Fingern in die Luft: Teilnehmende fordern eine Fortsetzung von Herz, Sex und Spirit. Zu Forschen gibt es ja noch genug. Wir werden sehen.

Von Barbara Stützel und Alicia Dieminger

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